2021 Moto Guzzi – una marca nuova italiana – wird 100 jährig…

Basil, ein MotoPur Mitglied, verfasste für uns diesen eindrücklichen Text zum 100jährigen Geburtstag von Moto Guzzi. – Danke Basil !

Der folgende Text versteht sich als Kurzfassung eines sehr lesenswerten Artikels im Motoitalia, Nr. 351, März 2021. Diese Zeitschrift ist nur im Abonnement erhältlich, aber, … es lohnt sich … und dies seit Jahren …! Details zum Abonnement siehe www.motalia.de.

Mit 100 Jahren ist die Lombardische Marke der älteste noch existierende und ununterbrochen produzierende Motorradhersteller der Welt. Die Gründung der Marke geht in die Zeit zurück, so um den 1. Weltkrieg, also fast in die Gründerzeit des Motorradbaus überhaupt. Motorräder waren damals mehr oder weniger Fahrräder mit Zusatzmotoren oder einfach Motoren in einem Hilfsrahmen.

Carlo Guzzi (1889-1964)

Während dem 1. Weltkrieg war Carlo Guzzi (1889–1964) für die Wartung der Motoren in einer Wasserflugzeugstaffel zuständig. Hier kam er mit den beiden Piloten Giorgio Parodi (1897-1954) und Giovanni Ravelli (1887-1919) ins Gespräch. Guzzi stiess mit seinen Vorstellungen für ein neues Motor- und Motorradkonzept einer eigenständigen „marca nuova italiana“ schnell auf fruchtbaren Boden. Zur technischen Vision von Carlo Guzzi kamen nun mit Ravelli ein Test- und Rennfahrer hinzu, um die Marke bekannt zu machen, und mit Parodi, ein Financier, um die kaufmännischen Angelegenheiten zu regeln.

Giorgio Parodi (1897-1954) links neben Carlo Guzzi
Giovanni Ravelli (1887-1919)

Zur Gründung einer Beteiligungsgesellschaft fragte Parodi nach Kriegsende bei seinem Vater Emanuele Vittorio Parodi (gest. 1945) für das Startkapital an.

Emanuele Vittorio Parodi (gest.1945)

Der erfahrene Kaufmann Emanuele Vittorio Parodi wollte aber zuerst ein fertiges Motorrad sehen, also einen Prototypen, als Beweis zur Machbarkeit der Konstruktion von Carlo Guzzi. Voller Eifer machten sich die Drei an die Arbeit, zunächst bei Carlo Guzzi zu Hause und dann in der Schmiede von Ripamonti in Mandello.

Schmiede von Ripamonti in Mandello

Aber noch vor Fertigstellung dieses Prototypen verunglückte Ravelli bei einem Flugzeugabsturz tödlich. Guzzi und Parodi ehrten ihren Kameraden wohl mit dem stolzen Adler als prägendes Markenzeichen ihrer noch jungen Vision und im Andenken an die gemeinsame Zeit der Fliegerei in der königlichen italienischen Luftwaffe des 1. Weltkrieges.

Wappen “Aeronautica militare”

Bereits nach etwas mehr als einem Jahr war der Prototyp fertig! „GP 500“ steht für „Guzzi Parodi 500 ccm“ und zeigte die erste Umsetzung der gemeinsam zwischen Guzzi, Parodi und Ravelli entstandenen Vorstellung einer neuen und eigenständigen Motorradmarke. Mit dem liegenden Einzylindermotor war dieses Motorrad für die damalige Zeit richtungsweisend.

Moto Guzzi GP 500

Diese „GP 500“ schliesslich veranlasste Emanuele Vittorio Parodi, nun massiv in die Realisierung der Vision zu einer eigenständigen und neuen Motorradmarke zu investieren. Am 15. März 1921 wurde die „Societa Anonima Moto Guzzi“ gegründet unter der  Mehrheitsbeteiligung der Familien Parodi und mit Sitz in Genua, dem Stammsitz der Parodis. Die Produktionsanlagen entstanden aber in Mandello, dem Wohnort von Carlo Guzzi.

Ankündigung in „Motociclismo“ 1920

Die Verbindung von Können mit dem notwendigen Kapital bildeten den Grundstein für eine äusserst erfolgreiche Entwicklung der neuen Marke MOTO GUZZI. Der kraftvolle und stolze Adler bestand bereits im Logo von Parodis Konservenfabrik. Der stolze Adler in Verbindung mit einer Motorradmarke aber ist ein sprechendes Zeugnis für die Verbindung der beiden Familien Guzzi und Parodi. Das Logo der „Marca nuova italiana“  steht aber nicht weniger für die Visionen der Fliegerkameraden Guzzi, Parodi und Ravelli aus der Zeit des 1. Weltkrieges!

Mit Thunfisch und der Konservierung von Fischprodukten und weiteren Bereichen baute die Familie Parodi ein Riesenvermögen auf.

Moto Guzzi nutzte denn auch von Beginn an den Rennsport, um die Qualität und Zuverlässigkeit der Marke bekannter zu machen.

Europameister 1924
Monza 1925

Dafür wurden auch eigens und speziell entwickelte Rennmaschinen gebaut, die weit mehr als Modifikationen an Serienmotorräder darstellten. Ein erfolgreicher Geschäftsgang, zusammen mit Kapital von Parodi ermöglichten zahlreiche Versuche und Varianten, die ihrer Zeit vorauseilten und zu bedeutsamen Rennerfolgen führen sollten.

Moto Guzzi nutzte den kostenintensiven Rennsport aber auch stets zur Erprobung der neuen Konzepte auf Standfestigkeit und Funktionalität hin. Vieles davon fand Einzug in die Serienmotorräder und förderte damit den guten Ruf der Marke in wirksamer Weise.

Albatros, 250ccm, 1939-1949
Bicilindrica 1949
C4V Corsa Quatro Valvole, 1924-1933
Dondolino 1946-1951
Gambalunga 1951
Otto cilindri 1955-1957
Tre cilindri 1940
Boxenstopp, links Carlo Guzzi
Bruno Ruffo auf einer Gambalunghino
C4V Werksmuseum
Carlo Guzzi 1953 500er
Guido Mentasti 1924
Omobono Tenni an der TT 1937
Siro Casale auf einer Vierzylinder-Kompressor-Maschine (1931!) neben Carlo Guzzi
Sieger Stanley Woods an der TT 1935 wird von Parodi beglückwünscht

Bereits 1934 war Moto Guzzi der grösste Motorradhersteller aus Italien! Bis zur grossen Motorradkrise der 50 Jahre sollte dieser steile Höhenflug des Adlers andauern.

Moto Guzzi hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 1500 Beschäftigte und verfügte über eine Fläche von mehr als 24 000 Quadratmeter. Moto Guzzi war weltweit aber auch der einzige Motorradhersteller mit eigenem Windkanal. Mit aerodynamisch optimierten Rennmotorrädern gelangen denn auch bis zum Rückzug aus dem Rennsport 1957, weiterhin zahlreiche Siege und Weltmeistertitel auf Basis des gleichen Grundmotorblocks aus den 20iger Jahren!

Lorenzetti 1956 vor Ubbiali auf MV Agusta

Der Glaube an und das Können wie, gemeinsam mit dem hohen Einsatz aller, belegen anschaulich die Umsetzung der Visionen der Fliegerkameraden Guzzi, Parodi und Ravelli aus der Zeit des 1. Weltkrieges!

Den Marktbedürfnissen folgend verstand es Moto Guzzi auch nach dem 2. Weltkrieg die Nachfrage nach vor allem günstiger Mobilität zu befriedigen. Der Guzzino 65, der erste Zweitakter aus Mandello, war über Jahre hinaus das meistverkaufte Mofa in Europa. Die Produktionspalette umfasste weiter bis Ende der 1980er Jahre Motorroller (Galletto), Kleinmotorräder (Cardellino), Dreiräder (Ercole), vor allem aber Motorräder mit Hubraumgrössen zwischen 125 und 1000 ccm.

Oft vermutet, aber umstritten: Kam in Fellinis “La strada” eine Moto Guzzi Ercole, eine Benelli- oder eine Gileramotocarro zum Einsatz? Wer weiss mehr dazu?

Und hier die Auflösung: Stefan Knittel schreibt uns: “Anthony Quinn (Zampanó) und Giulietta Masina (Gelsomina) waren mit einem Motocarro Unificato 500 MCM der Marke SERTUM unterwegs auf La Strada.” Vielen Dank Stefan!

Der technische Grundstock für die heutigen Modelle 2021 wurde bereits Mitte der sechziger Jahre gelegt. Als nach dem Tod von Giorgio Parodi ab 1957 alle Motorsportaktivitäten und Rennmotorenentwicklungen gestoppt wurden, kam der heute legendäre V2-Motor aus der Schublade der Entwicklungsabteilung. Der von Giulio Cesare Carcano (1910-2005) und dem bereits im Ruhestand befindlichen Carlo Guzzi entwickelte V2-Motor hätte Dreiräder, Autos oder Fahrzeuge für Heer und Polizei antreiben sollen. Als 1964 Italiens Polizia Stradale den Auftrag für ein schweres Motorrad ausschrieb, konnte Carcano ein entsprechendes Modell auf Basis seines V2-Motors entwerfen. Der quer eingebaute Zweizylinder in V-Anordnung und mit im Fahrtwind kühlend angeordneten Zylindern und mit Kardanantrieb steht seither für das charakteristische Merkmal der Moto Guzzi – Motorräder schlechthin.

V7 Motor Frontseite  
V7 Motor Rückseite
V7 Spezial
V7 Sport 1971
V7 Sport Motor
V7 Sport 1971 Mike Hailwood
Le Mans I
Sean Connery auf einer California 
Marlon Brando auf einer Astore
Konstruktionsbüro 1948-1957: Giulio Cesare Carcano, Enrico Cantoni, Umberto Todero. Drei kongeniale Konstrukteure in einem Büro!
Umberto Todero (1923-2005) vor dem Windkanal
Windkanal im Hause von Moto Guzzi
Lino Tonti (1920-2002)

Die Konstruktionen mit dem V2-Motor stellen weniger einen technischen Meilenstein dar, wurde aber wegen seinem Charakter und seiner Zuverlässigkeit zum Symbol für Motorradbau aus dem Hause Moto Guzzi. Wiederum bildet ein Grundmotor (hier ein 2-Zylinder in V-Anordnung) die Grundlage für zahlreiche Varianten, fortlaufenden Verbesserungen und in unterschiedlichen Hubraumgrössen und … über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahre und … bis heute:

V85TT (2019)

Die 2019 eingeführte Reiseenduro V85TT mit stapfendem V2-Herzschlag.

Wir wünschen zum Jubiläum im 2021 mit 100 Jahren Charakter, Stolz und Zuverlässigkeit herzlich: Forza Guzzi – ad molto annos! Mindestens weitere 100 Jahre!

(Hinweis: In Kürze erscheint auf motopur.li ein Artikel mit Details zu <<Unterschiedlichste Ventiltriebe bei den Einzylindern>> von Moto Guzzi. Nicht verpassen!)

Juli 2021, Basil Malin

Bildquellen:

Colombo Mario, “Moto Guzzi”

Pasi Alessandro, “Moto Guzzi – una storia italiana

3 Comments

  1. Hoi Basil
    Super Bericht, das macht der Marke alle Ehre!! Ich hatte zum Anlass des 100 jährigen Bestehen der Moto Guzzi auch zwei Berichte über meine Corsa Quattro Valvole. In der MOTALIA Nr. 337 Oktober 2019 und in der OLDTIMER MARKT im Januar 2021.
    Gruss Jürg

  2. ….in Ergänzung zu diesem tollen Bericht. Carlo Guzzi kam mit dem Motorrad (Guzzi, was sonst) über den Flüelapass um einige Tage im Belvedere in Davos zu verbringen. Sein Bediensteter fuhr mit einem VW Käfer mit allem Gepäck hinterher. Seine Schwester war die erste Frau, die mit einem Motorrad über den Flüelapass fuhr. Diese Geschichte erzählte mir der Concierge vom Belvedere Mitte der 80er Jahre.

  3. Hoi Basil
    Anthony Quinn (Zampanó) und Giulietta Masina (Gelsomina) waren mit einem Motocarro Unificato 500 MCM der Marke SERTUM unterwegs auf La Strada.
    Beste Grüße
    Stefan

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