Ein Beitrag von unseren Motopurmitgliedern : Josef Gunz verfasste den Text und Stefan Knittel fand die Bilder in seinem Archiv. Danke.
Liebe Motorsportfreunde
Wieder mal ne Story von mir nach längerer Zeit. Der Anlass ist eher ein trauriger, trotzdem ist es mir ein Anliegen, etwas über unseren Freund Konrad Stückler zu schreiben.
Ich kannte ihn, seit ich die Lehre als KFZ-Mechaniker begann. Da Konrad ganz in meiner Nähe wohnte, erregte er immer wieder mein An- und Aufsehen, wenn er mit seiner BMW bei uns vorbei donnerte. Mein Vater war nicht so der Motorrad-Fan, aber uns Jungs, ich habe 2 Brüder, Helmut und Werner, waren immer imponiert und begeistert. Öfters war er mit 2 weiteren, Toni Kraml und Gerd Nenning unterwegs, alles auch Rennfahrer, beide auf Kawasaki, der eine eine 350er Dreizylinder mit Verkleidung, der andere eine Z900. Unser erster Weg war immer Richtung Autobahnbrücke, um zu sehen, zu geniessen, wie die Burschen mit weit über 200 km/h die Fahrbahn Richtung Bregenz rasten. Auch an einige Jahre früher kann ich mich noch gut erinnern. Damals war, heute am Standort des Schwimmbades “Rheinauen” ein Baggerloch, zudem eine Mülldeponie. Viele Crosser hatten dort trainiert, unter anderem auch Konrad, sein Bruder Werner, Armin Mähr, Werner Guem, die Brüder Weder aus der Schweiz, viele aus dem Bregenzer Wald, auch “normale” Menschen.
Wir als Buben, so um die 10 Jahre alt, mussten im landwirtschaftlichen Betrieb unserer Eltern saisonbedingt die Wiesen mähen, die Schwedenreuther mit dem frischen Gras behängen. Natürlich hörten wir die Cross-Maschinen bis zu uns, was uns immer wieder veranlasste, das Grundstück zu verlassen, um die “Stars” zu bewundern. Natürlich wusste unser Vater, wo seine Buben zu suchen waren.
Später, während der Lehre, lernte ich Konrad persönlich kennen, da wir in unserer Lehrwerkstätte einen Fachmann hatten, welcher Kurbelwellen geschliffen, Zylinder gebohrt und gehont hatte. Ab und zu nahm ich die Teile mit in den Betrieb, brachte sie ihm wieder nach Hause, ab und zu half ich ihm auch beim schrauben. Während meines Dienstes beim Bundesheer hatte ich mehr Zeit, wurde zu seinem “Mechaniker”. Wir fuhren zusammen auf viele Rennen, anfangs mit seinem Commodore, hinten dran der Hänger, später hat er sich einen alten Bus geleistet. Wir waren in ganz Europa unterwegs.
Höhepunkte seiner Karriere waren der EM-Titel und zweimal Staatsmeister. Einmal nahm er sogar mit einer “Wild-Card” bei einem WM-Lauf am Salzburgring teil, unter anderem mit Kenny Roberts und anderen Persönlichkeiten.
An eine Veranstaltung kann ich mich noch genau erinnern, weiss aber nicht mehr ob es in Frankreich oder in Belgien war. Das Fahrerlager war mitten im Dorf, der Start zwischen Kirche und Friedhof. Da es keine Möglichkeiten gab, die Motorräder abzustellen, wurden sie im ganzen Friedhof an die Grabsteine gelehnt. Sah echt irgendwie makaber aus. Einmal, auch in dieser Gegend, waren einige Fahrer mit 4-Zylinder Kawasakis. Sie kamen zu uns und fragten Konrad, was er denn mit seiner BMW auf dieser Veranstaltung mache. Als er mit grossem Vorsprung das Rennen gewann, musste er natürlich zu den Lästerern, um ihnen zu sagen, sie zu fragen, ob sie schon auf dem richtigen Event seien, ob sie sich bei der Anfahrt nicht verfahren hätten.
Ein anderes Mal war ein Rennen in Salzburg am Ring angesagt. Konrad hatte ab und zu ein recht eigenwilliges Timing und Organisationstalent. Am Freitag Abend bekam er den Rahmen seiner BMW vom Lackierer. Zum Glück war noch ein Bursche dabei, um uns zu begleiten. Wir luden die Teile in den Bus. Während Konrad fuhr, bauten wir im hinteren Teil das Motorrad zusammen. Samstagmittag war die Fahrzeugabnahme im Fahrerlager. Fünf Minuten vor Abnahmeschluss lief das Bike, war fahrbereit, wir hatten die ganze Nacht durch geschraubt. Zum Glück standen wir ab und zu im Stau, konnten somit in Ruhe schrauben.
Ein Erlebnis abseits der Piste war auch der Bernina GT 2018. Gemütlich fuhren wir beide in den frühen Morgenstunden Richtung St.Moritz, wie es sich gehört beide angegurtet. Plötzlich querte ein Rudel Rehe die Fahrbahn, etwa 5 an der Zahl. 2 von denen hatte ich voll erwischt mit meinem Iveco. Konrad war schon eine Weile eingepennt. Durch die Vollbremsung rutschte er unter das Armaturenbrett, den Gurt um den Hals, ich dachte, jetzt ist es vorbei mit meinem Freund, stranguliert. Wieder erwacht, fragte er nur was denn los sei, ich war sprachlos…..
Nach der wunderschönen, super organisierten Veranstaltung begannen wir, den Bus einzuräumen. Konrad half mir, die BSA in den Laderaum zu schieben. Er hatte nur Sandalen an den Füssen, rutschte auf dem Kies aus, lag rücklings auf dem Boden, überall Schotter, keine feste Unterlage, er kam nicht mehr auf die Beine. Das Motorrad war zur Hälfte auf der Rampe, allein konnte ich es nicht hinein schieben. Unten lag mein Freund, somit auch nicht zurück. Musste warten, bis jemand vorbei kam, um ihn aus der Gefahrenzone zu ziehen, mir dann zu helfen, die Rocket an ihren Platz zu schieben.
Für 1980 planten wir zusammen, ich war gerade 23 Jahre alt, Konrad 42, nach Daytona zur Bike-Week zu fliegen. Seine Frau wusste absolut nichts von unserem Vorhaben, erfuhr es aber 2-3 Wochen vor unserem Abflug. Ich natürlich dachte, dass alles abgesprochen ist, dem war aber nicht so. Mein Freund meinte, wenn sie es vorher erfahren hätte, dann hätte das Theater Monate früher begonnen, in diesem Fall nur einige Tage. 2004 waren wir wieder in Florida, diesmal statt Hotel in einem Wohnmobil. Schon am Flughafen in Zürich begannen die ersten Probleme. Am Zoll, es war Ende Februar, es hatte nicht unbedingt sommerliche Temperaturen, Konrad war der einzige, der mittlerweile nur in Unterhosen bekleidet da stand. Die kontrollierenden Beamten hatten schon 3 Detektoren auf die Seite gelegt, da es immer wieder piepste, das Ergebnis der Überprüfung immer wieder negative Ergebnisse aufwies. Letztendlich zeigte er den Prüfern seine “Reissverschlüsse”, sprich Narben, welche auf seine zahlreichhen Operationen, beziehungsweise seinen hoch prozentiellen Metallanteil, bei anderen wären es Knochen, hinwies. Selbst seine Schuhe wurden, auf Grund verschieden hoher Sohlen zerlegt. Nachdem er wieder eingekleidet war, musste er noch schnell etwa eine halbe Stunde vor dem Abflug auf das WC. Da Konrad längere Zeit nicht mehr zurück kam, musste ich beginnen, ihn zu suchen. Vor der Abflughalle war ein grosser Warteraum, bestückt mit vielen Bänken und Sesseln, an der Wandin riesiger Bildschirm. Ganz zufällig lief grad ein Motorradrennen, somit waren die Räumlichkeiten bezüglich der Suche eingeschränkt. Innerhalb kürzester Zeit sah ich den Vermissten, musste ihn fast mit Gewalt auffordern, mir zu folgen. Am Gate angelangt, hinter uns wurde es sofort geschlossen, die Triebwerke des Jumbo liefen schon auf Hochtouren, wir kaum angeschnallt, startete der Flieger Richtung Westen. Nach kurzer Zeit bekamen wir nen Kaffee, 3 kleine weisse Päckchen dazu. Er englischen Sprache nicht mächtig, somit konnte er das Aufgedruckte nicht lesen, schüttete er gleich mal 2 von denen in die Tasse, weil er dachte, dass alles Zucker sei. Beim dritten warnte ihn seine Sitznachbarin, dass im letzten der Löffel zum Umrühren sei. Salz und Zucker waren schon drin, mitunter sogar Pfeffer. In Miami gelandet, haben wir unser Wohnmobil ausgefasst. Konrad war der Pilot, weil er sich bezüglich der Ortskenntnisse, er war ja schon mehrmals im Orange-State, sehr gut auskannte. Als begeisterter Fotograf hatte er die Eigenschaft und das Talent, sich ideale Standpunkte für seine Aufnahmen zu suchen und zu finden. Er konnte die Autobahn, relativ breit, 4 Spuren in Fahrt-, ebensoviele in Gegenrichtung, den kompletten Highway von der äussersten Spur aus nach links überqueren, um seine gewünschten Bilder zu schiessen.
Während der Fahrt sass ich echt auf Nadeln. Konrad hatte auch die Eigenschaft, links zu blinken, dann rechts abzubiegen, oder umgekehrt. Ich übernahm dann das Steuer, um doch noch sicher in Daytona Beach anzukommen. Dort sassen wir dann am Strand auf der Terasse eines Gasthauses, tranken Kaffee. Da er dieses Getränk sehr gerne versüsste, machte es mir keine Gedanken, dass er von sämtlichen Tischen die weissen Säckchen einsammelte, dass es auf diesen stand, kannte ich ja schon aus dem Flugzeug. Mittlerweile holte er den “Süssstoff” in den benachbarten Bars und Lokalen. Zu meinem Erstaunen schüttete er das Zeug nicht in den Kaffee, sondern verwendete sie, um den wackligen Tisch ruhig zu stellen, er legte sie unter dessen Beine. Da mein Freund, der der englischen Sprache nicht unbedingt mächtig war, wir mit unseren Handys keine Verbindung hatten, versuchten wir, uns nicht zu verlieren.
Trotzdem waren wir plötzlich nicht mehr zusammen. Jetzt begann die Suche. Wer die BikeWeek kennt, weiss, wovon ich rede, tausende von Besuchern. Durch Zufall bemerkte ich eine grössere Menschentraube, versammelt um eine wunderschöne Harley. Unter dem Chopper lag ein Mann. Ich erkannte und identifizierte ihn als Konrad. Er wurde von einigen Amis “geborgen”, stand dann vor mir. Seine Aussage war dann, dass er das Motorrad von unten fotografieren wollte, macht ja nicht jeder, er aber aus eigener Kraft nicht mehr hervor kam. Wie eine Schildkröte, welche man auf den Rücken legt.
Auch die letzten Jahre waren eine wunderschöne Zeit. Er konnte plötzlich an einem Sonntag Nachmittag auftauchen, Ingrid und ich sassen im Garten, er kam mit seiner Harmonika, spielte uns ein Ständchen, einfach wunderschön.
Konrad war ein sehr bekannter Rennfahrer, dies europaweit, ein sehr angenehmer und freundlicher Mensch. Er war zweimal Staatsmeister, einmal Europameister, dies immer auf seiner BMW.
Vielen herzlichen Dank, dass ich einen Grossteil meiner Freizeit, fast 50 Jahre lang, mit dir teilen durfte.
Auch in Zukunft wirst du immer ein Teil unserer Gespräche sein, ein Grund um uns zum Lachen und zum Nachdenken und animieren.
Konrad, Ruhe in Frieden
Josef
Danke für diesen schönen Bericht, Konrad war auch unser Freund, bin stolz ihn gekannt zu haben