Claudios MOTOSACOCHE Jubilée 1931

Claudio, ein MotoPur-Mitglied, berichtet uns, wie er in der Corona Zeit eine wunderschöne MOTOSACOCHE Jubilée 1931 von Grund auf mit viel Liebe zum Detail restauriert hat. Danke Claudio für diesen interessanten und eindrücklichen Beitrag.

Nachfolgend sein Bericht:

2012: Begeistert von alten Motorrädern und stolzer Besitzer einer BSA A7 fasste ich den Plan ein schweizer Motorrad zu kaufen, wenn möglich eines aus der Vorkriegszeit. Dazu benötigte ich lediglich jemanden, der ein solches für einen angemessenen Preis anbietet – einfach gedacht, schwierig in der Umsetzung.
Schon bald lernte ich einige namhafte schweizer Marken und deren Motorradmodelle kennen. Konkreter wurde mein Wunsch nach einem OHV Modell. Restaurierte Objekte waren für mein Budget unerreichbar so glaubte ich an das Glück, an ein unrestaurierte Schönheit zu gelangen.

2013: Nach längerem hin und her, unzähligen Anläufen und mehreren Verhandlungen konnte ich für 6000CHF eine Motosacoche Jubilée mit OHV IC9M3 Motor aus dem Jahr 1931 erwerben. Zu meinem Erstaunen war sogar der Fahrzeugausweis mit dabei.

2013 – 2015: Eine lange und sehr kostspielige Reise wurde angetreten. Die Substanz der erworbenen Jubilée war nach heutigem Wissen sehr gut. Dennoch hat man dazumal alles nach bestem Wissen und Gewissen «restauriert». Unzählige Teile polieren und verchromen lassen obwohl der original Chrom nicht schlecht war, Teile sandgestrahlt, die man im original Look hätte sein lassen können – solche Beispiele von Ausgaben sind praktisch unendlich. Ende 2015 war die Motosacoche restauriert und fahrbereit. Frisch eingelöst wurde sie ca. 1500km auf der Strasse bewegt, danach aber in die Ecke gestellt, da die Erwartungen an das Fahrverhalten und die Motorleistung doch einiges schlechter waren als vermutet.

2019 – 2020: Mit dem heutigen Wissen über die Motorrad-Technik, über die Werkstoffkunde, die Zerspannung, die mechanische Bearbeitung und einem vernetzen Komplott von Sympathisanten der Oldtimerszene wurde der Entschluss gefasst, das Jubilée-Projekt neu anzupacken und das Fahrverhalten zu verbessern.
Ausschlaggebend war der Gedanke, das 3-Gang Hurth Getriebe und die dazugehörige Handschaltung durch ein fussgeschaltetes 4-Gang Getriebe zu ersetzen. Zudem sollte die Fahrwerksgeometrie überdacht und verbessert werden. Dazu griff ich die Jubilée, nahm sie aus der Ecke auf den Motorradlift und begutachtete sie von weitem. Bei genauerer Untersuchung erkannte ich so viele Details, die mich unzufrieden stimmten. Mürrisch verliess ich die Werkstatt und studierte längere Zeit über mein Vorhaben und suchte die Abgrenzung zwischen «alt belassen» und «revidieren resp. umbauen». Ein paar Tage später, diversen Abklärungen mit den Kollegen und vielen Telefonaten entschloss ich mich dafür, die Jubilée komplett von Grund auf zu sanieren. Alles was nicht wirklich passt, wird passend gemacht. Was nicht sportlich ist, wird sportlich gemacht. Was optisch nicht entspricht, wird abgeändert, sodass es für mein Auge stimmt – Originalität spielt dabei nur eine Nebenrolle. Eine nahezu grenzenlose TO-DO Liste wurde erstellt.

Zusammengefasst sind unter anderem folgende Arbeiten resp. Umbauten getätigt worden, die meine Jubilée von einer «Originalen» unterscheidet:

4 Gang Hurth Getriebe Fusschaltung inkl. Halterplatten-Neubau, Getriebe revidiert, komplett abgedichtet
Speedway Alukupplung von G&G, abgespeckt, schwarz eloxiert, auf Konus Hauptwelle Getriebe angepasst
Auspuffkrümmer 35mm nach oben gekürzt -> mehr Bodenfreiheit
Ansaugflansch hergestellt, passend zu Amal 289 Vergaser, Positionierung neu, Ansaugtrichter neu
Umbau Primärantrieb auf 428er Kette inkl. Speedwayaufnahme auf Kurbelwelle
Primärkettenschutz Eigenbau
Originaler Packträger schmäler gemacht und gekürzt
Anpassung Fussrastenanlage komplett, Halterung an neuer Getriebeplatte vorgesehen
Anpassung Endschalldämpfer (Phonos) auf neue Krümmerhöhe und Länge
Sattel eingekürzt, Halterung neu, Positionierung neu gemäss Fussrastenanlage, Leder neu
Revidierung der Gabel, 2 Führungen neu ausgebüchst, Gabelfeder neu (leicht härter)
Gabelgeometrie angepasst, Nachlauf- sowie Federverhalten simuliert
Lenkkopflänge angepasst und auf Kegelrollenlager unten sowie oben umgebaut
Reibscheiben Lenkungsdämpfung durch hydraulische Dämpfung ersetzt
«Rennlenker» und dazugehörige Gaszüge resp. Brems- und Kupplungshebel montiert
Räder komplett umgebaut, neue Radwellen hergestellt, geschlossene Lager, keine Steckachsen mehr
Bremsen komplett überholt, Aluminium Bremskühlring, Bremsbelag BK5300 geschlitzt, Bremsanker klein
Ruckdämpfer nicht auf Primärtrieb sondern in Hinterradnabe/ Kranz integriert
Schutzblech vorne und Halterungen neu und angepasst
Schutzblech hinten gekürzt, neue Halterung hinten hergestellt


Arbeiten am Motor:

Ölwanne mit Ablasszapfen erweitert, sodass nahezu 100% vom Öl abgelassen werden kann
Umbau von Batteriezündung auf Magnetzündung (12V Batterie für LED Licht vorhanden)
Anschlüsse für Schmierleitung erneuert, neues Nadelventil Kipphebelbox
Nockenwelle angepasst, originale Nocken «abgedreht» und neue Nocken aufgeschraubt
Einlasskanal vergrössert, Einlassventil grösser, Auslassventil original Grösse
Kipphebelbox Richtung Nadellager abgedichtet, Schmierung neu mit Fett via Schmiernippel
Kurbelgehäuse Primärseite mit Aluminiumrippen verstärkt
Zusätzlich komplette Motorrevision, neuer Kolben, Kurbelwelle angepasst etc.


April 2020: Mit Hilfe des Lambdaanschlusses am rechten Krümmer konnte die Jubilée auf dem Prüfstand möglichst exakt eingestellt werden. Nach ein paar Testfahrten und kleineren Anpassungen der Schmierung ist sie bereit für den kommenden Sommer und grössere Ausfahrten.
Zum jetzigen Zeitpunkt darf ich behaupten, dass das Fahrverhalten, die Motorleistung und das Handling nicht mehr vergleichbar sind. Die Jubilée löst nun Glücksgefühle aus und ist in meinen Augen eine wahres Unikat geworden.

Habt Ihr Fragen zum Projekt oder benötigt Detailaufnahmen – lasst es uns wissen und schreibt es in die Kommentare.

Sportliche Grüsse

Claudio Werder (06.06.2020)

Bilder zu diesem Beitrag

Danke Claudio für diesen eindrücklichen Restaurationsbericht. Hut ab ! (Der Webmaster: Benellipepo)

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